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Skifahrerin kollidiert mit ungepolsterter Eisenstange im Pistenbereich – die Bergbahn haftet

von Rolf P. Steinegger

Im Frühling 1996 fuhr ein 10½-jähriges Mädchen mit ihren Eltern und ihrem Bruder, alles Skifahrer, auf das Kleine Matterhorn. Nach Erreichen der Bergstation fuhr die Gruppe über das Plateau Rosa in Richtung Trockener Steg. 200 Meter vor der Poma-Ebene hielten die Skifahrer gemeinsam an. Anschliessend fuhren die beiden Kinder, um genügend Tempo auf das Flachstück mitzubringen, in geradliniger Fahrweise los, das Mädchen im Bereich des linken Pistenrandes. Nach etwa 100 Metern Fahrt kam es, in einer leichten Rechtsbiegung von der Piste ab, fuhr in den Weichschnee und schlug, ehe es zu reagieren vermochte, in Fahrt mit dem Kopf gegen eine Pistenbegrenzungsstange aus Eisen. Die Skifahrerin erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma.

Die Eisenstange, mit der das Mädchen kollidierte, war Teil der Fahrbahn- bzw. Pistenbegrenzung. Die Eisenstangen standen beidseits der Fahrfläche, in einem Abstand von 20 Metern. Sie waren zudem ungepolstert.

1996 liess die Geschädigte, vertreten durch Steinegger Rechtsanwälte, ein Gutachten durch einen Experten Schweizerischen Verbandes der Seilbahnunternehmungen (SVS) erstellen. Der Gutachter kam zum Schluss, die SVS-Richtlinien würden eindeutig eine Polsterung verlangen.

2007 klagte die heute schwerstbehinderte Geschädigte die Bergbahn­unternehmung ein. Sie machte, auch aufgrund eines weiteren Gutachtens, geltend, die Bergbahn habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Mit Urteil vom 06.12.2010 stellte das Kantonsgericht des Kantons Wallis fest, dass die Bergbahnunternehmung hafte.1 Es nahm allerdings an, der Skifahrerin sei ein mitwirkendes Verschulden vorzuwerfen und reduzierte die Haftung auf 80%.

Das Kantonsgericht hielt fest, die Bergbahn sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen, indem sie am Unfallort weder Kunststoffstangen einsetzte noch die Eisenstangen polsterte, was ihr ebenfalls zumutbar gewesen wäre. Durch eine Polsterung der Eisenstangen mit handelsüblichem Schaumpolster wäre nämlich das Verletzungsrisiko erheblich verringert worden und beim Einsatz eines optimalen Schaumstoffes hätte das Verletzungsrisiko praktisch eliminiert werden können.

Mit Urteil vom 18.09.20142 hat das Bundesgericht die Beschwerde der Bergbahnen abgewiesen. Ihre Haftung steht damit rechtskräftig fest. Die Beschwerde der Klägerin wurde teilweise gutgeheissen: Die Vorinstanz hatte das Selbstverschulden der Skifahrerin nicht korrekt beurteilt. Willkürlich ist ein Entscheid, wenn er auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Die Sache wurde zur Neubeurteilung des Mitverschuldensabzuges an die Voristanz zurückgewiesen.

Mit Urteil vom 09.12.20143 hat das Kantonsgericht des Kantons Wallis diesen Abzug auf 10 % reduziert.

  1. Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 06.12.2010; I. Zivilrechtliche Abteilung, C1 09 37; Haftung einer Bergbahn für Skiunfall; Kollision einer Skifahrerin mit einer ungepolsterten Eisenstange im Pistenbereich; schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Dauerinvalidität (noch nicht rechtskräftig).
  2. 4A_206/2014 und 4A_236/2014.
  3. C1 14 258.